Kaiser Maximilian und das graue Mönchlein

Der Schusterstein, dahinter die Burgruine Werfenstein; 19. Jh.
Der Schusterstein, dahinter die Burgruine Werfenstein; 19. Jh. Bildquelle: Stadtgemeinde Grein

Autor: Karl Hohensinner


Variante von Caspar Norbert Klein

Als Kaiser Maximilian, wahrscheinlich im Jahre 1502, wo er ein fürstliches Schiff zur Fahrt auf der Donau nach Wien verfertigen ließ, nach vollendeten Reichsgeschäften die Reise in seine Residenzstadt Wien auf der 208 Donau machte und in das romantische, schöne Gebirgstal nächst Grein fuhr, hatte bereits die untergehende Sonne die im Vordergrunde leicht dahinziehenden Wolken mit glühendem Gold umsäumt, und diese ihr Feuer auf die Wipfel der Bäume werfend, die runzlichen Gesichter der alten Felsen gerötet, so dass sie ihre Gestalt wohlgefällig im Gewässer beschauten, als ob sie zu der seltenen Ankunft des hohen Gastes schmücken wollten. Ein leichter Zephir bewegte die Spiegelfläche des Stromes, so dass die kleinen zu den Ufern eilenden Wellen säuselten, als ob sie die unverhoffte Freude sich mittheilten, den allgeliebten Kaiser auf ihren Rücken tragen zu dürfen. –
Mit diesem entzückenden Spiel der Natur trat jenes der geheimnisvollen Geisterwelt in Verbindung, denn die Schiffleute, welchen schon beim Vernehmen des gewaltigen Brausens des nicht mehr fernen Strudels um ihren hohen Gast bangten, sahen plötzlich auf der hohen Felsenwand des linken Donauufers nächst der Föhre das gefürchtete graue Mönchlein [im Original „Mönchen“] mit ernster Miene ihnen winken. Entsetzen malte sich auf allen Gesichtern, weil sooft sich dieses Mönchlein nächst Strudel oder Wirbel den Stromfahrenden zeigte, stets Unglück erfolgte. Kaiser Maximilian, welcher in der für ihn prachtvoll dekorierten Kajüte eben in Erfüllung seines höchsten Berufes die eingelaufenen Gesuche erledigte und nach seinem edlen Herzenstriebe mit einem Federzuge manche Träne der treuen Untertanen trocknete, ahnte von allem nichts.

Plötzlich verlangte ein Schiffmann dringend den Eintritt zu seiner Majestät. Nach Willfahrung seines Begehrens meldete er, dass sich das graue Mönchlein als Vorbothe eines bevorstehenden Unglücks mit drohender Gebärde gezeigt habe. Sie wollen, da es möglich ist, landen und seine Majestät geruhte aufs Land zu steigen und in dem Schloße Werfenstein zu übernachten. Kaiser Maximilian aber, der mit festem Sinne zugleich einen festen Glauben vereinte, sprach: „Wir stehen in Gottes Hand, haben daher nichts zu befürchten, fahret fort! –
Nur jener Mann, der stets mit männlicher Kraft wirkend die Schritte seiner Lebensbahn mit Wohltun und edlen Handlungen zeichnet, kann mit einem aus reinem Herzen entquellenden Vertrauen auf den Schutz des Höchsten unerschrocken dem drohenden Tode ins Auge sehen!“ – Doch kaum ist der Schiffmann aus der Kajüte des unerschrockenen Monarchen getreten, zeigte sich neuerdings das Mönchlein mit drohender Miene. – Hastig stürzte der Steuermann zu dem Kaiser und stellte ihm wegen des neuerlichen Erscheinens des grauen Mönchleins die Gefahr, in welcher das Schiff schwebte, dringend vor. Hierauf ließ Maximilian anlanden und stieg aus dem Schiffe, um in der nahen Burg seiner Väter Werfenstein zu übernachten, und so zog in die Burg, wo jetzt die Eule haust, einst der Kaiser ein. Dort angelangt wurde der allgemein geliebte Monarch von dem treuen Vasallen Grafen Hardek, der von der Reise Maximilians unterrichtet war, glänzend empfangen. Unter der Harmonie gewählter Musik wurde bis spät in die Nacht prunkvoll gastiert. – Als nun ein Trinkspruch auf das Wohl des allerhöchsten Gastes erschallte und solchen die waldigen Berge mehrfach erwiderten, schlug die Turmuhr die elfte Stunde. Da öffnete sich die Flügeltür des Saales und das graue Mönchlein mit dem falben Totengesichte, einem grünen Kranze auf dem Haupte und einem weißen Kreuze in der Hand trat, niemandem als dem Kaiser sichtbar, in den Saal und winkte Maximilian zu folgen. Obgleich den kühnen Kaiserhelden kalter Schauer überlief, so entschloss er sich dennoch dem Mönche zu folgen. Kaum waren aber beide aus dem Saal getreten, so schlug das Mönchlein die Türe gewaltig zu und sogleich vernahm man vom Saale her ein gewaltiges Krachen und ein verworrnes Jammergeschrei, denn die Saaldecke stürzte ein, tötete oder beschädigte schwer die Anwesenden. Doch der Kaiser war gerettet und das Mönchlein verschwand.

Sei es nun, dass Kaiser Maximilian auf diese sonderbare Art oder auch dadurch, dass er sich früher zur Ruhe begab, bevor die Saaldecke einstürzte, beim Leben erhalten wurde, so ist gewiss, dass dieser Monarch eine Messe stiftete, welche jährlich zuverlässig an dem Rettungstage in der Kirche zu Struden gelesen und von dem k. k. Einnehmer daselbst aus der einfließenden Wassermauth samt Licht- und sonstiger Gebühr bezahlt und in der Mautrechnung verausgabt werden sollte. In der von dessen erlauchtem Thronfolger dem Kaiser Leopold I. für das k. k. Wassermauth- und Zollamt Struden erlassenen allerhöchsten Mautinstruktion vom 16. Juni 1679 wird die genaue Befolgung besagter Anordnung des Kaisers Maximilian dem jeweiligen Einnehmer strenge eingeschärft. Dieser Umstand lässt keinen Zweifel übrig, dass Werfenstein und nicht Greinburg der Rettungsort des Kaisers Maximilian war.


Aus dem Buch "Donausagen aus dem Strudengau. Das Oberösterreichische Sagenbuch Band 2" von Hohensinner, Karl. (Kap. 10.2, S. 208)

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