Vom wilden Gjaid

Ein ganz glaubwürdiger und sonst nichts weniger als abergläubischer Bürger von Mauerkirchen erzählte, was seinem Großvater vor ungefähr 120 Jahren, als er noch ein junger Mann war, in einer mondhellen Nacht passierte, mit des Großvaters eigenen Worten:

In einer mondhellen Nacht wollte ich mit einem anderen Bürger um die Mitternachtsstunde vom Gasthause heimgehen. Wir waren noch nicht weit gegangen, so hörten wir hinter uns ein starkes Getöse, wie von einem schnell fahrenden Wagen mit Pferdegetrappel und Peitschenknall, in das sich unheimliche Stimmen, wie Katzengeschrei, Eulenruf und Hundegebell mischten. Der Lärm kam immer näher, und kaum hatten wir noch Zeit auf die Seite zu springen, als ein mit schwarzen Pferden bespannter Wagen an uns vorbei und über den Marktplatz gegen den Romaniberg zustürmte. Auf dem Wagen stand vorne ein in einen schwarzen Mantel gehüllter Mann mit einer schwarzen Feder auf dem Hut und ebenso gekleidete Männer saßen im Wagen. Wir hielten sie anfangs für Spielleute, die von irgend einer Tanzmusik zurückkehrten.

Da uns aber die Sache doch etwas ungewöhnlich vorkam, so verfolgte ich sie, von Neugierde geplagt, in der Meinung, dass sie, beim Berge angekommen, langsamer fahren würden. Als ich aber daselbst angekommen war, sah ich nichts mehr von ihnen, hörte aber noch immer den Lärm und das unheimliche, einer Katzenmusik ähnliche Getöse in der Ferne.

Als ich das vergebliche meiner Verfolgung sah und daher umkehrte, stand am Fuße des Berges ein mir unbekannter Mann, der ebenfalls einen Hut mit einer Feder auf dem Kopfe trug und bis über das Gesicht in einen schwarzen Mantel gehüllt war

Ich hielt denselben anfangs für einen Finanzaufseher, der auf Contrebande passte, wie es damals häufig der Fall war und sprach ihn an, ob er das seltsame Fuhrwerk gesehen habe, worauf ich von dem Unbekannten mit näselnder Stimme und ohne das Gesicht zu enthüllen, eine unverständliche Antwort erhielt. In der Meinung, er wolle mir keine Antwort geben, wünschte ich ihm gute Nacht und ging meines Weges. Aber kaum hatte ich mich noch einmal umgeblickt, war er spurlos verschwunden.

Nun erst überkam mich ein Grauen und ich eilte nach Hause, zur Überzeugung gelangt, dass das wilde Gjaid an mir vorübergejagd sei.

Dass das Ganze keine Täuschung gewesen, geht daraus hervor, dass mein Begleiter die nämliche Wahrnehmung machte, und ein zufällig noch wach gewesener Justizbeamter, der das Getöse ebenfalls hörte, das Fenster seiner Wohnung geöffnet und gefragt habe, was das für ein Lärm sei.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
IV. Mythische Sagen