Ritter Mangold von Freudenstein

Als noch durch Deutschlands Gauen der Schlachtruf scholl: „Hi Welf, hi Waiblingen!“ da zog manch armes Ritterlein, das nichts sein Eigen nannte, als ein tüchtiges Schwert und ein ausgerackertes Streitross, nach Oberösterreich, um sich an den Ufern des Donaustromes anzusiedeln, als Räuber die Wasser- und Landstraßen unsicher zu machen.

Ein solcher Held, Ritter Mangold, hatte Heinrich dem Stolzen manchen Dienst geleistet. Dafür verschaffte ihm dieser das Recht und das nötige Geld, sich in der Nähe von Ottensheim ansiedeln zu dürfen. Herr Mangold säumte nicht und bald schaute ernst und drohend die Veste „Freudenstein“ in die Wellen der Donau, den Wanderern Tod und Verderben kündend. Ja, Herr Mangold von „Freudenstein“ war Raubritter geworden. Gar manches Opfer schmachtete in den Tiefen seiner Burgverliese; manch schmuckes Ritterlein ging in die Burg und kam nimmer wieder, und manch harter Thaler floss in den unergründlich tiefen Säckel des Ritters, von Anverwandten der gefangenen Reisenden als Lösegeld gebracht. Aber nicht nur die Reisenden fühlten die Faust des Räubers, auch die Bewohner von Ottensheim, von Goldwörth, und alle Ansiedler der Gegend zitterten, wenn sie nur einen Knecht Mangolds sahen, weil er sie rein ausplünderte, um im Freudentaumel dahinzuleben.

Bald hatte aber die Lust ein Ende. Ein schweres Leiden hielt den Ritter im Schloss gefangen. Sein Kerkermeister Wolfker leitete jetzt die Raubzüge, während Eppo, der treueste Diener Mangolds, als Haushofmeister im Schloss schaltete. Diese beiden Männer bildeten den größten Kontrast. Wolfker war ein rauher, ungeschliffener, blutdürstiger Raubgeselle, ganz seines Herrn Ebenbild; Eppo dagegen war ein sanfter, frommer Mensch, den nur das Mitleid für seinen kranken Herrn und für die armen Gefangenen auf Freudenstein zurückhielt. Er war dem Ritter wegen einer unglücklichen Liebe gefolgt. In Bamberg hatte er die holde Osilia, des reichen Kaufherrn Grundemanns Tochter kennen und lieben gelernt, auch war er von dem Mädchen innig wiedergeliebt; aber der Vater gab seine Zustimmung zu dem Bunde nicht, deshalb zog Eppo weg, sein Leid und sein Lieb zu vergessen.

Die Knechte des Schlosses entflohen einer nach dem anderen der rohen Behandlung ihres launenhaften, kranken Herrn wegen. Bald hatte der Ritter nur mehr vier Knechte und einen Knappen. Mit diesen unternahm Wolfker einen Raubzug gegen ein Kauffahrteischiff, der aber einen unglücklichen Ausgang hatte. Wolfker büßte sein Leben ein, das Schiff entkam, die vier Knechte entflohen, nachdem sie die Beute: einen alten Kaufmann aus Bamberg und seine holde Tochter, dem Burgherrn übergeben hatten. Dieser ließ den Alten in einen Kerker führen, die Jungfrau in ein Schlosszimmer bringen. Eppo hatte sich unterdessen der Kerkerschlüsseln bemächtigt, und fand zu seinem Staunen Herrn Grundemann als Gefangenen. Schnell befreite er ihn, sperrte den Kerker ab und verbarg den Alten, so gut er konnte, und ging dann, um das Mädchen zu retten.

Unterdessen hatte sich der Burgherr seine Gefangene vorführen lassen. Er sah sie kaum, so entbrannte er in heißer Liebe für sie und wollte sie schnurstracks zur Frau nehmen. Das Mädchen zeigte aber keine große Lust, Herrin von Freudenstein zu werden. Es weinte um seinen Vater, bis es der Burgherr mit dem Bedeuten entließ, dem Alten solle nichts widerfahren. Kaum war das schöne Kind im anstoßenden Zimmer, so erschien ein alter Eremit, welcher Herrn Mangold schwere Vorwürfe wegen seines ruchlosen Lebenswandels und wegen seiner vielen Untaten machte. Der fromme Mann wollte den Ritter bekehren und zum Guten zurückführen; - es war der allbekannte Gunther, der Erbauer des „goldenen Steiges“ im bayrischen Walde. - Der Ritter spottete des Frommen, und dieser fluchte ihm und dem ganzen Hause. Da trat Eppo ein. Auf einen Wink von ihm entfernte sich der Eremit. Mangold erhob sich von seinem Sitze und ging, unterstützt von seinem Getreuen, zum nächsten Schranke, aus dem er eine kleine Flasche voll Flüssigkeit nahm. Dann ließ er sich zum Kerker des Kaufmannes führen. Zu Eppo sagte er, er wolle dem Gefangenen Labung bringen. Eppo verstand den Bösewicht; er öffnete die Türe des Verlieses, der Ritter trat in die finstere Zelle, hinter ihm aber schloss sich der Eingang wieder – für immer.

Eppo eilte rasch zu dem Mädchen und erkannte in ihm seine heiß geliebte Osilia. Einige Minuten überließen sich die Liebenden dem Entzücken des Wiedersehens, dann eilten sie Beide zu dem harrenden Vater; alle drei verließen die Burg Freudenstein. Ein leichter Kahn trug sie über den Strom nach Wilhering, wo sie von den Leuten des Kaufmannes mit Jubel empfangen wurden.

Herr Mangold sah bald zu seinem Entsetzen, dass er gefangen sei. Erst wütete er mit aller Kraft gegen die Türe, diese spottete jedoch seiner Anstrengung; - zuletzt geriet er in Verzweiflung und stürzte die mitgebrachte Flüssigkeit in seine ausgetrocknete Kehle; - wenige Minuten später hatte er seine schwarze Seele ausgehaucht – sein eigenes Gift hatte ihn getötet.

Die Veste Freudenstein verfiel – der Name des Ritters wäre längst vergessen, erhielte ihm nicht der Sage Mund sein fluchbeladenes Dasein.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
V. Romantische Sagen (Sagen verschiedenen Inhaltes)