Der Erzgräber im Karbachgebirge

Die Gebirge des Salzkammergutes enthielten einst manche Ader Goldes in sich; aber die Oberösterreicher verstanden es nicht, diese Schätze ans Tageslicht zu bringen. Da kamen die Italiener; diese durchzogen das Gebirge und was sie fanden, schafften sie in ihre Heimat. Von den Gebirgsbewohnern wurden diese Goldsucher „Wällische“ genannt, welcher Name sich bis jetzt gehalten hat. Ein solcher Mann kam alljährlich ins Karbachgebirge. Er kehrte in der Karbachmühle ein und war dort bald ein gern gesehener Gast. Als er eines Jahres wieder kam, brachte er kleines Mädchen, die Tochter seines verkommenen Sohnes und dessen ebenso schlechten Frau, und bat die Müllersleute, das Kind gegen gute Bezahlung aufzunehmen. Die Familie, bestehend aus Mann, Frau und zwei Knaben sahen das Kind und liebten es schon innig; gern willfahrten sie daher dem Wällischen. Getrost nahm dieser Abschied von der bitterlich weinenden Magdalena, so hieß nämlich das Mädchen. Die Müllersleute trösteten das arme Kind, so gut sie konnten. Der Goldsucher ging und kam – nimmer. Die ganze Gegend wurde durchsucht, keine Spur war von ihm finden. Die braven Müllersleute nahmen nun das Mädchen an Kindesstatt an. Es wuchs heran zur blühenden Jungfrau. Unterdessen waren des Müllers Buben Männer geworden und beide entbrannten in heißer Liebe für Magdalena; oft gerieten sie in Zank und Streit; die friedliche Mühle sah manche Eifersuchtsszene. Magdalena sah es und bat ihre Pflegeeltern in einen Dienst ziehen zu dürfen. Nach hartem Kampfe wurde ihr das gestattet und sie kam als Sennerin auf die Karbachalpe. Dort stellte sie Versuche an, eine Spur von ihrem Großvater zu finden, doch vergebens; dort stieg sie auf die nahe Spitze der „Tenn“ zum alten, abgestorbenen Baum – den Großvater rufend durch ihren hellen Gesang; - aber er kam nicht! Ihr Auge erblickte nichts, als alle die schneebedeckten Spitzen der Salzkammergutsgebirge und dazwischen Städte und Ortschaften, Wiesen, Felder, Wälder, Seen, Flüsse und Auen. Oft betete sie auf dem Hochkogel, wo sich die Reste der Steinmauer und zwei Heiligenstatuen, Steinklumpen – weibliche Gestalten – befinden, die der Sage nach von der alten, längst zerfallenen Kirche am Hochkogel herrühren. So oft war das gute Mädchen dort gesessen, dass man eine der zwei Felsengestalten „Magdalena“, später „Heilige Magdalena“ nannte.

Zwei Sommer waren dahingegangen. Beide Müllerburschen liebten Magdalena noch so heiß, wie früher. Der ältere, ein schmucker Bursch, ging zu seinen Eltern und bekannte ihnen seine Leidenschaft. Sie gaben ihre Zustimmung zu der Wahl des Sohnes und freudig eilte derselbe auf die Alpe, die frohe Botschaft der Auserwählten zu verkünden und um ihre Hand, um ihre Liebe zu bitten. Froh erstaunt hörte das Mädchen die Kunde. Lange schon hatte es den jungen Mann geliebt; aber es zeigte dies niemand, nach braver Mädchen Art. Glücklich zogen die Liebenden von der Alm, um den Segen der gerührten Eltern zu empfangen. Jubel und Beglückwünschungen schallten ihnen überall entgegen; nur der Bruder des Geliebten kam nicht – er war verschwunden; man sagte, er sei Soldat geworden und im Kriege gefallen. - Nachts strahlten helle Freudenfeuer empor auf allen Gipfeln der Berge – so viel Glück hatte die Mühle seit einem Menschenleben nicht gesehen. Am anderen Morgen zog das Brautpaar nach Schörfling, um dem Pfarrer, einem Bruder des Müllers, die Ereignisse zu erzählen. Auf dem Rückwege fanden sie in der Nähe von Pinsdorf einen Karren, mit einem heruntergekommenen Gaul bespannt, auf welchen zwei verwahrloste Menschen, Mann und Weib, unbarmherzig losschlugen und in fremder Sprache fluchten, weil das arme Tier die schwere Last nicht ziehen konnte. Das Mädchen kannte an der Sprache Italiener und zankte mit ihnen, wegen der Tierquälerei. Sie kam mit den Leuten in ein Gespräch – ein Wort gab das andere – Magdalena hatte ihre Eltern vor sich – ungebessert, schlecht, wie sie dieselben verlassen. Ja ihr Vater fluchte dem verschollenen Großvater, weil er sein Vermögen nicht ihm, sondern Magdalena vererbt und in einer Stadt Italiens deponiert hatte. Fluchend und scheltend verließen sie hierauf die Eltern; - das war ein bitterer Schmerz für das Mädchen. Später behob sie ihr Vermögen und brachte es dem Manne als bedeutende Mitgift.

Lange Jahre waren dahin. Die jungen Müllersleute hatten zwei hübsche, feste Burschen, an denen sie große Freude hatten; da starben die Alten schnell hintereinander, gesegnet und beweint von der ganzen Umgebung.

Eines Tages verstieg sich eine Ziege des Müllers; seine Söhne suchten und fanden sie endlich in der Röthelsteinerhöhle, nachdem sie einen höchst gefährlichen Weg über einen schmalen, bröcklichen Felsengrat zurückgelegt hatten. In einer Ecke der ihnen neuen Höhle sahen sie zu ihrem Entsetzen ein Totengerippe, neben ihm einen Christus aus Metall. Sie nahmen die Ziege und das Gnadenbild, eilten damit nach Hause und erzählten, was sie gesehen. Die Mutter erkannte sofort das Christusbild ihres Großvaters, Tränen in den Augen, küsste sie es.

Die Gebeine des Verunglückten wurden geholt und in Traunkirchen begraben. Wahrscheinlich hatte sich der arme Mann verstiegen und war in der Höhle verhungert.

Wieder gingen Jahre dahin. - Da hob sich im Friedensgarten zu Traunkirchen ein frischer Grabeshügel, dort lagen der Karbacher Müller und die Müllerin sanft gebetet zur ewigen Ruhe, beweint von Jung und Alt. ...

Die Erde sei ihnen leicht! -



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
V. Romantische Sagen (Sagen verschiedenen Inhaltes)