Die Teufelshöhle am hohen Nock

Mit schwerem Herzen trennt man sich von der wundervollen Fernsicht, die der 1959 Meter hohe Nock dem Besucher bietet, und voll vom Eindrucke des herrlichen Panoramas tritt man den Rückweg in das dunkle Tal an, welches eine kurze Strecke noch am Grate des Gebirges hin und dann von einem Felsenkessel zum anderen führt, bis endlich die von Wind und Blitz zerklüftete Steinmauer sich öffnet, und eine zwischen riesigen Wänden weit hinausgedehnte Waldschlucht sichtbar wird. Aber noch manche schwindelnde Stelle muss überwunden werden, ehe man den grünen Wald erreicht, welcher mit seiner wohltuenden Kühle angenehm erquickt.

Nachdem man eine Weile im selben fortschreitet, dringt dem Wanderer plötzlich ein kühler Luftzug entgegen, der aus dem Inneren des Berges, welcher sich zur Rechten in Form eines riesenhaften Höhleneinganges öffnet, kommt. Ein kalter Hauch dringt durch die Finsternis, und kein Pfad oder nahestehendes Gestein wird von der Tageshelle beleuchtet. Die Öffnung bildet gleichsam das Fenster einer vom Boden und der Kuppel gleich hohen, runden Grotte; hält man den Kopf in diese Öffnung hinein, so hört man aus der Tiefe den Fall eines dünnen, kichernden Wässerchens, welches der Aberglaube als das höllische Kichern des Satans bezeichnete.

Der Sage nach trieb einst der Teufel in dieser Höhle sein Unwesen; sie war niemand sichtbar und nur in finsterer Nacht öffnete sich der geheimnisvolle Schlund, und der arglos Dahinschreitende fiel in die Tiefe hinab, wo das Hohngelächter des Bösen dem Verzweifelten entgegenschallte. Noch heute hält sich das Volk in geheimer Scheu von dieser Stelle fern, und man erzählt folgende wunderbare Rettung eines Jägers, der zu Ende des vorigen Jahrhunderts in dieser Höhle bald den Tod gefunden hätte.

Der alte Adam ging einst ins Gebirge, um auf eine Gemse zu pirschen. Auf dem Rückwege fiel ein so starker Nebel ein, der ihn wider seinen Willen nötigte, wo er stand, Platz zu nehmen und die hohe Sonne des nächsten Morgens als Befreierin geduldig zu erwarten. Er saß so übel nicht auf seinem Moospolster, konnte sich zurücklehnen, auch nötigenfalls schlafen, da er sich an keinem Abgrunde befand. Eine Weile saß er auch recht friedlich und drehte seinen Hut in der Hand, um den er einen prächtigen Buschen von Edelweiß, Alpenrosen und anderen schönen Blumen gesteckt hatte; denn des anderen Tages war Kirchtag in Molln, und er gedachte mit den Alpenblüten seinen Schatz recht zu erfreuen. Da sprang ihm aber der Teufel aufs Genick und ritt ihn und zischelte ihm in die Ohren vom Fensterln in der Kirchtagnacht, und es mochte auch Eifersucht dabei sein, er glaubte den Steg nicht fehlen zu können, stand auf und ging weiter, obwohl er kaum drei Schritte vor sich sehen konnte. Der Nebel wurde immer dichter und finsterer, sein rechter Fuß fand keinen Boden, er trat tiefer, da glitt sein linker nach; er verlor das Gleichgewicht und fiel tief hinunter. Als er sich wieder fühlte, lag er auf weichem Moose; nur war es besonders finster um ihn geworden. „Das ist die Nacht,“ tröstete er sich. „Was tut‘s? Hier muß ich nun freilich bleiben, doch habe ich morgen näher ins Tal, und ich liege da weicher, als ich oben saß.“ Er dachte nichts Schlimmeres, als dass er außen am Bergesabhange sitze, dass die Sonne morgen die dichten Nebel zerstreuen und ihm am schönsten Sonntagsmorgen der taubeglänzte Weg in‘s Tal offen liegen werde. Er nahm aus seiner Waidtasche ein Nachtmal, sprach sein Gebet, legte sich hinüber und schlief ein. Als er wieder erwachte, wunderte er sich, dass es noch nicht sonnenhell sei; eine sparsame Dämmerung umgab ihn, er hörte ein leises Kichern, und als er aufblickte, sah er etwa 15 Klafter über sich eine Öffnung, durch die der Morgen hereinschien. Gute Nacht Kirchweih, Schatz und alles Leben! In dumpfer Verzweiflung starrte er vor sich hin. Eine Kuh kam oben zur Öffnung, läutete mit ihrer Glocke, wie‘s der Messner im Turm oben für Sterbende tut und ging weiter ihrer Weide nach. Noch eine qualvolle Stunde verfloß. Da schritt eine Almerin im Kirchenstaate vorüber, ein Gedanke durchzuckte Adams Gehirn, er griff nach dem Pirschstutzen und brannte ihn los. Der Knall wälzte sich donnernd im Gewölbe. Adam fürchtete schon, er möchte keinen Ausweg finden, endlich rollte er ins Freie. Adam hörte die Sprünge des Viehes, einen Schrei der Almerin, dann Totenstille, nur das leise Kichern. Adam lud wieder, und wieder kam eine Kirchengeherin, diesmal mit einem Burschen. Adam schoß und schrie: „Hilfe! Hilfe!“ Das Paar oben stutzte, ein lebhafter Wortwechsel entstand, endlich bog der Bursche den Kopf zur Öffnung hinein, und Adam schrie vernehmlicher und nannte seinen Namen. Der Retter lief ins Tal um Leute und Seile, und so war der Unbesonnene gerettet; als er an das Tageslicht trat, kicherte es noch immer in der Tiefe, und die ausgestandene Angst war ihm eine gute Lehre, in Zukunft vorsichtiger zu sein.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
IV. Mythische Sagen