Der Springerwirt

Nicht weit von Eferding steht ein altes, stattliches Schänkerhaus, das bis in die neueste Zeit herein „zum Springerwirt“ genannt wird. Das große Schild zeigt einen in den Lüften schwebenden, seine Schellenkappe lustig schwingenden Harlekin.

Vor vielen, vielen Jahren saßen an einem Sonntagnachmittag die Bauern müde und schläfrig vor ihren Krügen. Es war eine recht gedrückte Stimmung unter den Gästen. Da ertönte plötzlich ein heiteres Lied vom Zaun herüber und ein junger Bursche in der Tracht eines Handwerksburschen betrat die Schänke.

Der Ankömmling bestellte einen Humpen Wein. Der neugierige Wirt stellte allerlei Fragen über das Woher und Wohin, was der junge Mann dahin beantwortete, er habe kreuz und quer die Welt durchzogen, habe als Doktor und Magister der freien Künste vor Kaiser und Königen das Lichtlein seines Geistes leuchten lassen.

Rothard, so nannte sich der Fremde, wurde von der Gesellschaft gebeten, auch heute etwas zum Besten zu geben. Nach längerem Hin- und Herreden erbot er sich, höher zu springen als des Wirtes Haus, welches nach der Schätzung des Eigentümers vom Sockel bis zum Giebel seine zwölf Klafter hatte. Man einigte sich zu einer Wette. Rothard sollte im Falle des Gewinnens das Wirtshaus sein Eigen nennen, im Falle des Verlierens 50 Humpen Wein der besten Sorte zahlen.

Der Fremde stellte sich zum Sprunge an. Die Bauern pflanzten sich im Kreise auf und blickten in gespannter Erwartung auf denselben. „Hopp!“ und Rothard schwang sich empor; jedoch betrug die Entfernung seiner Sohlen vom Boden kaum 15 Zoll.

Jubelnd behauptete der Wirt, die Wette gewonnen zu haben; allein Rothard entgegnete: „Ich bin wohl über die 15 Zoll hinaus gesprungen. Nun mag Euer Haus springen. Wenn dieses höher aufhüpft, dann habe ich die Wette verloren. Vorwärts alte Baracke!“

Da gab's nun ein großes Gelächter. Beide Teile drohten, die Hilfe des Gerichtes in Anspruch zu nehmen. Ein alter Bauer, der diesfalls schon bittere Erfahrungen gemacht haben mochte, schlug einen Vergleich vor.

Rothard, des unstetten Lebens satt, blieb bei dem Wirt als Geselle und erwies sich als kluger tüchtiger Schaffner. Seine lustigen Einfälle und Schnuren fanden bei allen Gästen Beifall. Von weit und breit strömten sie nach dem einsamen Hofe und labten sich an des Meisters goldnen Tropfen und des Gesellen witzigen Worten.

Als nach einigen Jahren eine böse Seuche durchs Land zog, welcher auch der lustige Kumpan zum Opfer fiel, weinte ihm der Wirt aufrichtige Tränen nach.

Er ließ den Fremdling als lustigen Springer malen und das Bild über dem Tore an mächtiger Eisenstange befestigen.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
V. Romantische Sagen (Sagen verschiedenen Inhaltes)