Der sagenreiche Richtberg (IV.): Richtberg-Sage

Eine andere Sage erzählt:

Es sind nun fünfzig Jahre her, da zog ein Förster mit seiner Frau und dem kleinen Töchterlein Marie zur heiligen Osterzeit nach Weyregg, um dort die Kirche und seine Mutter zu besuchen. Fröhlich ging es von dem Jagdhause zu Finsterau dahin über den Richtberg. Der Förster erklärte seiner Frau jetzt den Neubau der Waldbäume; Marie hatte wenig Interesse dafür und bat, vorausgehen zu dürfen. Die Eltern erlaubten es dem Mädchen unter der Bedingung, dass es beim Taferl warte.

Langsam stiegen die Eltern nach. Doch, wie groß war ihr Entsetzen, als sie das Kind auf dem verhängnisvollen Platze nicht fanden; die ganze Gegend wurde von ihnen durchsucht – vergebens. Der Vater eilte mit großer Schnelligkeit nach Weyregg, das Kind bei der Großmutter zu suchen; die Mutter selbst durchsuchte alle Schluchten und Büsche den Namen des geliebten Kindes rufend. Der Vater kam bleich zurück – mit den Schreckensworten: „Nicht gefunden!“ Noch einmal wurde Baum und Strauch untersucht – vergebens.

Da zog das Paar traurig nach Hause. Wer beschreibt aber ihren freudigen Schreck, als ihnen das Mädchen gesund und frisch entgegensprang. Die Mutter sank ohnmächtig hin; ein hitziges Fieber warf sie auf das Krankenbett, und lange kämpfen Leben und Tod um sie. Endlich siegte ihre kräftige Natur, und nun erfuhr sie, dass sich das Kind vom Webe verirrt habe, in den wilden „Zausengraben“ geraten war, sich jedoch aus demselben Weg bahnte und dem Schwarzbache folgend, endlich nach Hause gekommen war, ängstlich seine Eltern erwartend.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
V. Romantische Sagen (Sagen verschiedenen Inhaltes)